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Mutter Corsage – Ein Lesetipp

Veröffentlicht am 8. August 2013 | Keine Kommentare, jetzt kommentieren!

Ende vergangenen Jahres erschien ein Buch, das sofort mein Interesse weckte: „Mutter Corsage – Enthüllungen einer Dessous-Verkäuferin“ von Heide Meier. Die Autorin ist nicht irgendwer, sondern eine echte Institution in Sachen Dessous in Berlin. Über 50 Jahre arbeitete Heide Meier in der Branche, erst in Kaufhäusern wie dem KaDeWe, später gründete die gebürtige Berlinerin ihr eigenes Fachgeschäft „Lady M.“.

Wer die im Untertitel versprochenen „Enthüllungen einer Dessous-Verkäuferin“ erwartet, wird vielleicht etwas enttäuscht sein. Bis auf „Deutschlands letzte Diva“ Hildegard Knef taucht im Buch kein Promi namentlich auf, über den etwas Privates erzählt wird. Das wäre wohl auch sicher gegen den Berufsethos von Heide Meier, schließlich ist das Vertrauensverhältnis zwischen einer Dessousverkäuferin und ihrer Kundschaft essentiell für den Erfolg ihres Geschäfts.

Persönlich hatte ich mir ein paar mehr fachliche Informationen erwartet. Zwar finden sich im Text immer wieder Hinweise auf die zur entsprechenden Zeit (von Mitte der 1950er bis in die 2000er Jahre) angesagte Wäsche und über diese oder jene Entwicklung im Dessousbusiness, doch den größten Raum im Buch „Mutter Corsage“ nimmt der autobiographische Teil ein. Das ist jedoch nicht schlimm, sondern im Gegenteil sehr erhellend. Denn die Lebensgeschichte von Heide Meier zeichnet sehr schön die gesellschaftliche Entwicklung nach, aus der Sicht einer Frau, die ihren eigenen Weg geht, auch gegen Widerstände und gesellschaftliche Konventionen. So schreibt die Autorin (fachliche Unterstützung gab’s von der Journalistin Silke Kettelhake), dass sie selbst als Großeinkäuferin für ein Kaufhaus Probleme hatte, Ernst genommen zu werden. Junge Frauen existierten damals in der Geschäftswelt so gut wie nicht, es sei denn als Sekretärin. Das verursacht heute nicht viel mehr als ein Kopfschütteln und man sagt sich „so war das halt“. Nach Mittelalter oder Fundamentalismus klingt hingegen die Schilderung, dass es in den 1950er, 1960ern nicht üblich war, dass eine junge Frau allein in eine Gaststätte ging. Heide Meier berichtet, dass sie regelmäßig nicht bedient und unhöflich behandelt wurde, hielt man sie doch für eine „Bezahlte“, weil „anständige Frauen machen sowas nicht“. Verglichen damit kommen mir die heutigen Sexismus-Debatten ein klein wenig seltsam vor.

„Mutter Corsage“ zeichnet quasi nebenbei ein Sittengemälde der Bundesrepublik von den tradierten Rollenbildern der Nachkriegszeit zum „anything goes“ des hier und jetzt. Mit ihrer Profession ist die Berlinerin dabei am Puls der Zeit in Sachen Sexualmoral und Selbstbild der Frauen. Und Heide Meier hält bei ihrer Analyse der Zustände dabei nicht hinter dem Berg: Das Patriarchat bekommt dabei genauso sein Fett weg wie die Feministinnen, die die Weiblichkeit verdammen. Doch das Buch ist auch deshalb interessant, weil es den Weg einer „kleinen“ Gewerbetreibenden zeigt, die aus eigener Kraft die Aufs und Abs der Branche meistern und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen muss. Hier zeigt sich Heide Meier als Mensch mit einer ungeheuren Energie und viel Mut, die wirklich bewundernswert sind. Alles in allem ist „Mutter Corsage“ mit seinen 264 Seiten nicht nur ein kurzweiliger Blick in das Leben einer starken Frau, sondern auch ein Schlaglicht darauf, wie sich unsere Gesellschaft verändert hat. Dass Heide Meiers Leidenschaft weiblicher Schönheit und Dessous gelten, ist dabei ein Glück für alle, die sich für das Thema interessieren.

Mutter Corsage – Enthüllungen einer Dessous-Verkäuferin
Taschenbuch, Knaur TB, 264 S.
ISBN: 978-3-426-78516-4
Preis 9,99 Euro



 

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