Neopren, der Vielseitigkeits-Weltmeister

Scuba Taucher springt ins Wasser
©istock/Merlas
Sie sind eine der größten technischen Errungenschaften des vergangenen Jahrhunderts: synthetische Stoffe. Neben Nylon, Polyester und Elastan hat sich auch Neopren fest in dieser Welt der Textilien etabliert. Ein Begriff ist er den meisten vor allem als Material für die sogenannten Wet-Suits der Taucher und Surfer.

Neopren, dieser gepolsterte, dicke Stoff ist seit einiger Zeit auch bei Designern beliebt und sorgt in der Mode für einen strukturierten Look mit dem gewissen Etwas in Sachen zusätzlicher Wärme. Im 1. Teil beleuchten wir von SUNNY-Dessous die Herstellung, die Verwendung und Geschichte des Neopren. Im 2. Teil gehen wir dann auf die wirklich erstaunlichen Materialeigenschaften ein, erklären den Unterschied zwischen Neopren und Scuba und erzählen, wie der synthetische Kautschuk auch beim Kampf gegen die Pfunde ein weltmeisterlicher Partner ist.

Geschmolzene Chips mit Schaummitteln gemixt

Hat man Neopren das erste Mal in der Hand stellt sich sofort die Frage: wie wird dieser seltsame Stoff eigentlich hergestellt? Rein technisch betrachtet, ist Neopren ein geschäumter Synthesekautschuk, der sich Polychloropren nennt. Dabei handelt es sich um ein Polymer, dass ausschließlich aus Kohlenstoff- und Wasserstoffatomen besteht. Der Grundstoff des Neopren sind größere Späne, die nach einer herbeigeführten chemischen Reaktion zurückbleiben. Diese „Chips“ werden dann wiederum geschmolzen und mit verschiedenen Kohlenstoffpigmenten und Schaummitteln gemischt, die dann in einen Ofen gegeben und gebacken werden, bis sie sich ausdehnen. Was entsteht, sind lange Bahnen von unförmigen Neopren, die dann zu „Platten“ in der Stärke und Länge geschnitten werden.
Im alltäglichen und industriellen Gebrauch befindet sich das Neopren in den meisten Fällen zwischen zwei Bahnen aus Nylon oder Polyester. Gerade in der Bekleidungsindustrie ist dem Neopren auch oft noch Elastan hinzugegeben, um die Flexibilität des Synthesekautschuks zu erhöhen. Neopren-Stoffe können in Abhängigkeit von ihrer Verwendung in der Dicke variieren. Ein bis zwei Millimeter ist normalerweise das Maximum für eine normale Nähmaschine. Bei industrieller Verarbeitung kann die Stärke auch schonmal vier Millimeter betragen.

Vom Liebling der Armee zum Modematerial des Sommers 2014

Neopren stellte sich schon früh als eines der vielseitigsten Materialien überhaupt heraus. Die Bandbreite an wünschenswerte Eigenschaften (auf die wir weiter unten noch näher eingehen) ist so groß, dass es von der Raumfahrt bis zur Avantgarde-Mode seine Verwendung findet. Die flexiblen, dehnbaren und wasserabweisenden Charakteristika des Neopren erweisen sich bis heute im medizinischen Bereich und hier besonders in der Patientenversorgung als nützlich. Die bei Weiten bekannteste Verwendung ist natürlich die Verarbeitung in Neoprenanzügen. Und hier geht es natürlich vor allem darum, wie verhindert wird, dass der Körper trotz Kontakt mit kaltem Wasser auskühlt. Dabei sind diese Anzüge für Schwimmer oder Surfer im Sommer nicht dicker als zwei Millimeter, während die von Tiefseetauchern schonmal sechs bis sieben Millimeter stark sein können.

Je dicker das Neopren ist, desto größer ist die Isolation gegen Kälte. Neben seinen Stärken als Isolierer ist Neopren auch resistent gegen Öle, Fette und Lösungsmittel und somit ideal für Dichtungen, Schläuche, Dämmstoffe und korrosionsbeständige Beschichtungen. Die Unkaputtbarkeit des Neopren wird auch dafür genutzt, Deponien von stark umweltschädigenden Materialien von innen damit auszukleiden. Die extreme Beständigkeit und Vielseitigkeit des Neopren machten das Material schon frühzeitig zu einem Liebling der Armee. Besonders während des zweiten Weltkriegs war Neopren so gefragt in der militärischen Anwendung, dass die zivile Produktion den Stoff über Jahre hinweg gar nicht zu sehen bekam. Auch begründet durch die fantastische Ozon- und Wetterbeständigkeit des Kunstkautschuks waren in Bekleidung und Schuhwerk eines US-Soldaten bis zu 14 Kilogramm Neopren verarbeitet. Die Anzüge der NASA-Astronauten tragen bei extravehikulärer Aktivität neoprenbeschichtetes Nylon.

Der Sprung vom Wasser auf den Laufsteg und zurück

Doch Neopren hat sich längst von seinem rein praktischen Nutzen emanzipiert und ist zu einem Liebling der zeitgenössischen Mode geworden. Es erscheint regelmäßig in den Kollektionen von Modedesignern wie Karl Lagerfeld, Louis Vuitton, Balenciaga oder Alexander McQueen und wurde im Jahr 2014 vom Modemagazin „Elle“ als „Material des Sommers“ gekürt. Dabei sind es nicht die kratzfesten und witterungsbeständigen Eigenschaften von Neopren die es so attraktiv für Kleider, Hosen, Röcke und Tops machen, sondern vor allem die geschmeidige Anpassung an alle Körperformen.
Für Modedesigner ist Neopren ein leicht zu bearbeitendes Material, welches nicht ausfranst oder verrutscht und das auch nicht gefüttert werden muss. Von den Laufstegen hat das Neopren allerdings kürzlich auch wieder den Weg zurück ins Wasser gefunden. So entdecken immer mehr den Tauch- und Surferchic für ihre Bademode. Bikinioberteile, Bikinislips sowie sexy geschnittene Badeanzüge kommen noch lässiger und schön nonchalant daher wenn sie aus Neopren gefertigt sind. Und weil das Material auch Druck und Farben besonders schön hält, sind die scharfen Neoprenteile in allen erdenklichen Farben und Mustern zu haben.

Der erste, synthetisch hergestellte Kautschuk

Gummi in all seinen Variationen erscheint uns heute in der Alltagswelt so selbstverständlich, wie kaum ein anderes Material. Und dennoch wurde es bis Anfang des 20. Jahrhunderts nahezu ausschließlich aus dem Harz von Kautschukbäumen gewonnen. Erste Fortschritte auf dem Gebiet der Synthetisierung machen die Deutschen und setzen ihren Kunstgummi namens Buna auch im ersten Weltkrieg ein. Doch das Verfahren ist extrem aufwändig und langwierig und die Nachfrage nach Kautschuk wächst in den 1920er Jahren extrem an, so dass die Preise für Naturkautschuk explodieren.
Wie immer, wenn es im 20. Jahrhundert um die Herstellung künstlicher Materialien und dabei vor allem Textilstoffen ging, war es die amerikanische Firma DuPont, die Pionierarbeit leistete. Einer ihrer fähigsten Chemiker, Wallace Hume Carothers sollte 1935 das Nylon erfinden und sich 1937 das Leben nehmen. Doch bereits 1930 gelang ihm und seinem Team die Herstellung des ersten Neopren, welches sie damals noch DuPrene nannten. Der ursprünglich extrem störende Geruch konnte schnell beseitigt werden und so trat das neue Material in kommerziellen Produkten wie Handschuhen und Schuhen sowie in industriellen Produkten wie Automotoren und Telefonkabeln seinen Siegeszug um die Welt an.

„Innen ist es immer Sommer“

Doch noch stand dem Neopren sein eigentlicher Durchbruch bevor. Denn bis weit in die 1950er Jahre war das neuartige Material schwach, zerriss leicht und war schwer anzuziehen. Das Problem wurde damit gelöst, dass um das Neopren eine Laminatschicht, meist aus Nylon oder Polyester gezogen wurde. Damit war auch der Weg frei für den modernen Tauchanzug und Surfanzug. Schon lange hatten zahlreiche Personen damit experimentiert, mit welcher Art Textil man sich am längsten im Wasser aufhalten könnte.
Ein Physiker der University of California in Berkeley namens Hugh Bradner kam 1951 erstmals auf die Idee, dass eine dünne Schicht eingeschlossenes Wasser toleriert werden kann, solange die Wärmeisolierung durch eingeschlossene Luftblasen im die Haut umschließenden Gewebe vorhanden ist. Die Luft im Neoprenanzug bedeutete, dass Wasser schnell Körpertemperatur erreichen und als Wärmeisolierung wirken konnte. Neopren war das perfekte Material dafür, da es nicht vollständig wasserfest ist und so stets eine kleine Menge Wasser in den Anzug lässt. Der Tauch- oder Wetsuit musste also nicht trocken sein, um den Träger warm zu halten.

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Eine Erkenntnis auf die auch der eigentliche Erfinder (und spätere Firmengründer) Jack O’Neill aus San Francisco kam. Jack liebte das Meer und verbrachte jede Gelegenheit am Strand. Doch lange konnte er der Kälte nie standhalten und so fing er zunächst damit an PVC in seine Badehosen zu verarbeiten. Erst als ihm sein Freund Harry Hind, der in einem Chemielabor arbeitete eine Probe aus Neoprenschaum zeigte, war die Idee des Wetsuits geboren. Schon 1952 gründete Jack mit dem Slogan „Innen ist es immer Sommer“ seine noch heute populäre Wetsuit-Manufaktur „O’Neill“. Vor allem nach den Arbeiten der japanischen Yamamoto Corporation wird das in Wetsuits verarbeitete Neopren seit den 1960er Jahren nicht mehr aus Erdöl sondern aus Kalkstein gewonnen Kalziumkarbonat hergestellt und ist somit auch ökologisch einwandfrei.
 

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