Abstillen und Depressionen – gar nicht mal so selten

depressive Mutter mit Kinderwagen
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In unserem letzten Beitrag haben wir Euch alles über das Abstillen und wie es am besten gelingt verraten. Heute wollen wir uns einmal dem ernsten und oft völlig unterschätzten Thema "Depressionen nach oder während des Abstillens" widmen.

Denn auch wenn das Abstillen ganz problemlos gelingt, kann es teils sogar noch Monate später zu gravierenden Veränderungen im Befinden der Mutter kommen. Dies wird häufig als Überlastung missgedeutet, allzu oft verbirgt sich aber dahinter eine ausgewachsene Depression. Wie es dazu kommen kann, wie man sie erkennt und behandelt, lest Ihr hier.

Depressionen während und nach dem Abstillen

Das plötzliche und unerwartete Einsetzen von Depressionen in der Phase des Abstillens wurde lange ignoriert oder kleingeredet. Doch es ist an der Zeit, darüber zu sprechen und zu informieren. Viele junge Mütter lernen ungewollt, dass Schlaflosigkeit, nächtliche Schweißausbrüche und allgemeine Nervosität zur Phase des Abstillens dazugehören. Doch nur wenige wissen, dass es sich dabei um ernstzunehmende Depressionen handeln kann. Und mit denen bleibt man am besten nicht allein. Wir von CARLMARIE wollen deshalb hier erklären, was man über dieses unschöne Phänomen der Abstill-Periode wissen sollte. Ebenfalls informativ ist unser Beitrag über Schwangerschaftsdepressionen.

Frauen berichten zwar schon seit längerem über Symptome von Depressionen beim Prozess des Abstillens, aber heutzutage muss manchmal erst eine bekannte Influencerin darüber berichten, bevor ein solches Thema ins Zentrum einer öffentlichen Debatte rückt. Angela Lanter, die mit dem Schauspieler Matt Lanter (u.a. „Star Wars – the Clone Wars“, „Pitch Perfect 3“) verheiratet ist, berichtete auf ihrem Account von seltsamen Symptomen, die sie zwei Monate nach der Beendigung des Stillens an sich festgestellt hatte. „Es begann mit Schlaflosigkeit und Nachtschweiß, worauf ich sofort meine Hormone testen ließ“, so Lanter. Doch abgesehen davon, dass Progesteron und Östrogen etwas niedrig waren, waren Lanters Ergebnisse eigentlich normal. Aber dann, nachdem sie mehrere Wochen ohne eine volle Nacht geschlafen hatte, nahm sie eines Nachts ein rezeptfreies Schlafmittel und wachte um 2 Uhr morgens mit ihrer ersten Panikattacke auf. “Es war schrecklich“, erinnerte sich Lanter in einem Beitrag auf ihrem Instagram-Account. Am nächsten Tag besuchte sie ihren Hausarzt. Sie listete ihm ihre an sich festgestellten Symptome auf, zu denen auch große Nervosität und Gewichtsverlust gehörten. „Er erkannte sofort, dass ich eine verzögerte Depression nach dem Abstillen hatte“, schrieb die Influencerin weiter. „Er hatte sofort die richtige Verbindung herstellen können, weil seine eigene Frau dasselbe durchgemacht hatte.“

Viele Frauen haben von Depressionen nach dem Abstillen noch nie gehört

Obwohl sie erleichtert war, zu hören, dass ihre Symptome mit einer Krankheit zusammenhängen, war Lanter auch schockiert: Sie hatte den Begriff Depression in Verbindung mit dem Prozess des Abstillens noch nie zuvor gehört. „Erst dachte ich, dass das ein Fake sein muss. Aber nein! Das ist ein echtes Problem und ich musste feststellen, damit bei weitem nicht allein zu sein. Ich musste außerdem feststellen, dass wir Frauen einfach nicht genug darüber reden“, schrieb sie in ihrem Instagram-Post, in dem sie ihre Erfahrungen mit ihren mehr als 265.000 Followern teilte. Die Reaktion auf ihren Post waren überwältigend. „So viele Mütter haben mich kontaktiert und mir mitgeteilt, dass auch sie zumindest teilweise erfahren haben, was ich durchgemacht habe.“

Was sind die medizinischen Hintergründe dieser Depressionen?

Das größte Problem der Depressionen im Zusammenhang mit dem Abstillen ist, dass diese oft erst Wochen nach dem Abstillen einsetzen. Deshalb bringen die meisten Mütter ihre Stimmungsschwankungen auch nicht mehr mit dem Entwöhnungsprozess ihrer Babys von der Mutterbrust in Verbindung. Frauenärzte haben sich mittlerweile zu diesen Depressionen auch in Fachartikeln geäußert und dabei festgestellt, dass Frauen oftmals nicht gern über ihre diesbezüglichen mentalen Probleme sprechen, weil sie nicht erkennen, dass es sich dabei um ernstzunehmende Depressionen handelt. Außerdem seien diese Depressionen nach dem Abstillen immer noch nicht genügend erforscht und in der psychiatrischen Gemeinschaft deshalb weitaus weniger bekannt als andere postnatale Erkrankungen.

Wann muss ich Hilfe suchen?

Während des Abstillens kann eine gewisse Trauer und ein Gefühl des Verlusts normal sein. Wenn Frauen jedoch das Gefühl haben, dass hier etwas weitaus Ernsteres vorliegt, empfehlen Experten, sich um Hilfe zu bemühen. Mütter, die mit einem dieser Symptome zu tun haben, sollten sich deshalb umgehend an einen Psychologen, einen Allgemeinarzt oder einen Frauenarzt wenden, der bei der Festlegung des besten Behandlungsverlaufs behilflich ist. Dies kann eine Therapie, der Einsatz von Medikamenten oder die Behandlung mit zusätzlichen Hormone beinhalten. „Leiden Sie nicht still vor sich hin“, empfiehlt auch Angela Lanter, der sich beraten ließ und jetzt das Antidepressivum Lexapro einnimmt. „Gehen Sie zu Ihrem Arzt. Sprechen Sie mit Ihrem Ehepartner, Ihrer Familie und Ihren Freunden. Lassen Sie sich beraten. Es wird Ihnen irgendwann besser gehen, aber in der Zwischenzeit brauchen Sie Unterstützung.“

 

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Was genau macht eine Depression nach dem Abstillen aus?

Depressionen nach dem Abstillen sind vor allem auf zwei Gründe zurückzuführen. Zum einen leidet die Frau an hormonellen Schwankungen. Zum anderen ist sie beim Prozess des Entwöhnens des Babys von ihrem eigenen Körper selber großem psychischen Stress ausgesetzt. Die Symptome, die Frauen darauf bringen sollten, dass auch sie unter einer solchen Depression leiden, sind erhöhte Reizbarkeit, schnelles und grundloses Weinen, Verlust des Vergnügens an einer gewöhnlich angenehmen Aktivität, Müdigkeit, Nervosität und Konzentrationsstörungen.

Warum wird eine Depression nach dem Absetzen oft nicht diagnostiziert

Depressionen nach dem Abstillen werden auch heute noch nicht immer als solche erkannt und ordentlich diagnostiziert. Das hat möglicherweise damit zu tun, dass Mütter zum Zeitpunkt des Abstillens nicht immer engmaschig genug auf Depressionen überwacht werden, so Alexander Zerg, Gynäkologe in Leipzig. Die meisten Mütter, so Zerg, würden bei ihren postnatalen Besuchen beim Arzt zwar auch auf Symptome einer postnatalen Depression und damit zusammenhängende Angstzustände untersucht. Doch das passiere vor allem etwa sechs Wochen nach der Geburt, und viele Mütter würden diese Untersuchungen mindestens ein Jahr nach der Geburt nicht mehr wiederholen.

 

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Hormonelle Verschiebungen werden völlig unterschätzt

Die meisten jungen Mütter unterschätzen wohl vor allem auch die hormonellen Schwankungen, die auch noch ein Jahr nach der Geburt und vor allem mit der Zeit des Abstillens einhergehen. „Oxytocin, das während des Stillens steigt, nimmt mit dem Abstillen immer weiter ab“, sagt Dr. Zerg. „Oxytocin ist ein Bindungshormon und wenn es verschwindet, kann sich eine Frau schnell emotional sehr isoliert fühlen. Das kann dann zu einem überwältigenden Gefühl von Verlust und Trauer führen.“ Auch andere Hormone spielen eine Rolle. Prolaktin, das typischerweise während des Stillens erhöht ist, sorgt u.a. für innere Ruhe. „Eine plötzliche Abnahme dieses Hormons bei plötzlichem Abstillen kann deshalb zu hoher Nervosität und Schuldgefühlen führen“ erklärt Dr. Zerg. Letztlich spielt auch der Östrogen-Spiegel bei den Depressionen nach dem Abstillen eine entscheidende Rolle. Denn der Östrogengehalt verringert sich während des Stillens und normalisiert sich erst nach dem Abstillen auf das Niveau vor der Schwangerschaft. Das geschieht bei einigen Frauen sehr langsam. Dr. Zerg: „Eine Verschiebung des Östrogenspiegels führt bei manchen Frauen zu einer depressiven oder gereizten Stimmung“.

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