Melitta Bentz: die Mutter des Filterkaffee

Eine dampfende Tasse Kaffe mit Kaffeebohnen
©istock/amenic181
In unserer Reihe "Starke Frauen" stellen wir hier eine besonders wirkmächtige Erfinderin aus Dresden vor. Melitta Bentz erfand den ersten Kaffeefilter der Welt und revolutionierte mit ihm die weltweite Kaffeekultur.

Aus dem Nichts entstand wegen ihr eine Firma, die heute Milliardenumsätze verzeichnet und in der sie zum sozialen Gewissen werden sollte. Noch heute hängt in nahezu jedem Melitta-Standort ihr Bild, profitieren die Angestellten von dem von ihr initiierten Sozialfonds. Bühne auf und Applaus für…

Melitta Bentz

In Italien gibt es Cappuccino und Espresso, im Nahen Osten türkischen Kaffee – doch die wirklichen Genießer wissen: Nur Filterkaffee verspricht den reinen Genuss dieses Heißgetränkes. Und den ersten Kaffee durch Filterpapier trank mit Sicherheit eine damals 34-jährige Hausfrau aus Dresden. Melitta Bentz begann ihren Morgen 1907 im Dresden wie zahlreiche andere ihrer Landsleute mit einer Tasse frisch gebrühten Kaffee. Aber anstatt sich erfrischt und konzentriert zu fühlen, ärgerte sich die Sächsin mit jedem Schluck mehr.

Ein Enkel der Firmengründerin, Thomas Bentz, erklärte später den Hintergrund der Erfindung seiner Großmutter so: „Sachsen tranken damals schon richtig viel Kaffee und der wurde traditionsgemäß aufgebrüht. Es wurden also die gemahlenen Bohnen ins Wasser einer Kanne oder eines Topfes gegeben und aufgekocht. Mit der Folge, dass sich natürlich Einiges an Kaffeesatz und – krümel in jeder Tasse wiederfand. Meine Großmutter soll einen hervorragenden Kaffeegeschmack gehabt haben und ärgerte sich über die Krümelei wohl weit mehr als andere. Nicht zu reden von der nervigen Säuberung, denn an den Kupfertöpfen klebten die Kaffeesatzreste besonders hartnäckig.“

Kaffee kochen und mit ungebleichtem Filterpapier filtern.
©istock/runzelkorn

Grundlage eines Welterfolges: das Löschpapier ihres Sohnes

Wie die meisten Erfinder war auch die Apfelstrudel-backende Hausfrau aus Dresden von Ärger und Irritation angetrieben. Jeden Morgen träumte sie in ihrer Küche davon, wie ein besserer Kaffee zu brauen wäre. Sie begann mit allen möglichen Experimenten, versuchte dies und das und scheiterte. Bis sie eines Tages voller Wut ein Stück Löschpapier aus dem Schulheft ihres Sohnes riss und es – mit einer Schere in Form gebracht – in eine alte Blechdose steckte in die sie vorher ein paar Löcher gestanzt hatte. Die damaligen Filterverfahren benutzten Textil als Filter, waren aufwändig und für Normalsterbliche kaum zu bezahlen.

Melitta Bentz hingegen hatte just in diesem Moment, als ihr Kaffee durch das Löschpapier ihres Sohnes tropfte, den ersten, superbilligen Kaffeefilter erfunden. Melitta und ihr Mann Hugo waren begeistert vom „perfekten Kaffeegenuss“ und testeten diesen bei zahlreichen „Kaffeenachmittagen“ an ihren Bekannten. So langsam sprach sich die Geschichte herum und Anfang 1908 ging ein Antrag ans Kaiserliche Patentamt in Berlin, das wenig später das Patent für den Papierfilter (für einen „mit Filtrierpapier arbeitenden Kaffeefilter mit auf der Unterseite gewölbtem Boden sowie mit schräg gerichteten Durchflusslöchern“) tatsächlich erteilte. Das war der Beginn einer Firmengeschichte, die in den fünf kleinen Zimmern der Familie in Pirna begann und bis zum heutigen Tag zu einem Unternehmen mit 4.000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 1,5 Milliarden Euro reicht.

Die Firma Melitta startet im Wohnzimmer der Familie Bentz durch

Aber nochmal von Anfang an: Amalie Auguste Melitta Liebscher wurde am 31. Januar 1873 als Tochter von Karl und Brigitte Liebscher in Dresden geboren. Nicht ganz unbetucht, denn ihr Vater war erfolgreicher Buchhändler und ihre Großeltern hatten eine Brauerei besessen. Die 24-Jährige heiratete 1897 einen gewissen Hugo Bentz, der Abteilungsleiter in einem Dresdner Kaufhaus war und mit dem sie die Söhne Willy (1899) und Horst (1904) sowie die Tochter Hertha (1911) bekam. Das Patent für den Papierfilter sollte das Leben aller Bentz` gewaltig verändern. Zunächst beendete Ehemann Hugo seine Anstellung und begann mit seiner Frau Papierfilter herzustellen, später gesellten sich die Söhne hinzu, die die Ware im Bollerwagen auslieferten.

1912 hatte die junge Firma bereits acht Mitarbeiter und verkaufte 1.250 Filter für einen Stückpreis von 1,25 Mark. 1915 wurde die Wohnung in Pirna zu klein und ein Umzug in erste Firmenräume wurde unumgänglich. Doch die späten Jahre des ersten Weltkrieges machten dem Aufstieg von Melitta einen Strich durch die Rechnung. Ehemann Hugo und der älteste Sohn Willy wurden zur Armee eingezogen. Nur mit Hilfe ihres Bruders schaffte es Melitta Bentz mit der Herstellung von Papierkartons die Firma durch die schweren Jahre zu manövrieren. Der Erfolg des Papierfilters war danach aber nicht mehr aufzuhalten. 1929 – mitten in der weltweiten Finanzkrise – zog Melitta mit 55 Mitarbeitern und allen vorhandenen Maschinen ins nordwestdeutsche Minden um, weil sich in Dresden keine geeigneten Räume für das schnell wachsende Unternehmen fanden. Noch heute hat die Firma dort ihren Hauptsitz.

Drei Wochen Ferien, Weihnachtsgeld und ein bis heute existierender Sozialfonds

1932 trat die fast 60-jährige Melitta Bentz vom Tagesgeschäft ihrer Firma zurück und widmete sich ab da der Verbesserung der Lebensverhältnisse ihrer Angestellten. Und auch dort zeigte sie jene Kreativität, Innovationslust und Durchsetzungskraft, die sie ihr ganzes Leben begleiteten. Melitta-Angestellte mussten nur noch fünf Tage in der Woche arbeiten, hatten bis zu drei Wochen Ferien im Jahr und bekamen ein nicht unerhebliches Weihnachtsgeld. 1938 gründete sie mit ihren Söhnen die Melitta Aid, einen noch heute bestehenden Sozialfonds für Angestellte.

Melitta Bentz, die Erfinderin der Filtertüte aus Papier
Melitta Bentz, die Erfinderin der Filtertüte aus Papier ©gemeinfrei

1936: Geburt von Schriftzug und Melitta-Filter

Vor allem während der 1930er Jahre veränderte sich das ursprüngliche Design des Melitta-Kaffeefilters drastisch. Aus dem flachen Metallbodenelement in einem kegelförmigen Messingtopf wurde ein Porzellantopf, in den statt eines runden ein trichterförmiges Filterblatt gesteckt wurde. Es war die Geburt des heute noch bekannten und so unverwechselbar dreieckigen Melitta-Filters und auch des berühmten Melitta-Schriftzuges (1936).
Mittlerweile war das Unternehmen mit seinem unkomplizierten Filterverfahren, welches billig, hygienisch und äußerst praktisch zugleich war, weltweit bekannt und populär. Und fing an eine unrühmliche Rolle in der Geschichte des Dritten Reiches zu spielen. 1933 trat Firmenchef Horst Bentz der SS und NSDAP bei und machte das Melitta-Unternehmen (nun schon lange ohne Melitta und Hugo Bentz im Tagesgeschäft) zum NS-Musterbetrieb. Erst im Jahr 2000 stellte sich die nunmehr dritte Melitta-Generation dieser Verantwortung.

Hipster-Streitgespräche über die richtige Herstellung von Filterkaffee

1950 starb Melitta Bentz 77-jährig, vier Jahre nach ihrem Mann. Noch heute hängt in fast allen Melitta-Standorten ihr Foto an der Wand und erinnert an die legendäre Firmengründerin. Jeder Mitarbeiterin kennt Melitta Bentz und ihre außergewöhnliche Rolle als Mutter des Unternehmens. Melitta ist heute noch Weltmarktführer, wenn es um die Herstellung von dreieckigen Kaffeefiltern geht. Zwar haben heute zum Beispiel japanische Unternehmen wie Beehouse und Bonmac das ursprüngliche Modell Melittas übernommen und an die modernen Bedürfnisse einer völlig neuen Kaffeegeneration angepasst – aber zwischen all den Hipster-Streitgesprächen, ob nun das Wasser langsam oder alles auf einmal oder mit oder gegen den Uhrzeigersinn in den Filter gegossen werden muss, sollte nie vergessen werden, wem der Genuss eines richtig guten Filterkaffees überhaupt zu verdanken ist.

 

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Dresdner Schwestern im Geiste – Melitta Bentz und Christine Hardt

Melitta Bentz und ihr Innovationsgeist steht dabei in einer langen Tradition von kreativen Frauen, die vor allem Dresden zu einer Stadt der Erfinderinnen gemacht haben. Erinnert sei hier an Christine Hardt, die bei CarlMarie schon einmal die Protagonistin eines Artikels über die Erfindung des BH gewesen ist. Es mag nun Zufall sein, dass beide Frauen ihre großartigen Erfindungen fast zeitgleich machten, doch es ist wunderbar deren Errungenschaften noch heute in aller Munde zu wissen. Sicher ist auch, dass auch heute noch jeder Kaffeetrinker, ob nun bewusst oder nicht, mit jedem Schluck des schwarzen Goldes die sächsische Erfinderin würdigt.

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