Starke Frauen: Kleopatra – nicht sexy, aber einflussreich

Kleopatra
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Sie war die letzte Pharaonin Ägyptens und ist die bis heute wohl bekannteste Frau der antiken Welt. Zwar hat sich Kleopatra VII. (69-30 v.Chr.) wohl auch dank einiger Hollywood-Verfilmungen einen Ruf als eine der großen Verführerinnen der Geschichte erworben, aber das meiste was wir heute über sie zu wissen glauben, ist nicht mehr als Spekulation, Propaganda und letztlich auch Klatsch.

Sie war angeblich weder atemberaubend schön, noch ließ sie sich in einen Teppich eingerollt in Cäsars Palast bringen. Vielmehr war Kleopatra eine erfahrene Diplomatin und Rednerin, die mehrere antike Sprachen fließend beherrschte und es verstand, in einer von Männern beherrschten Welt durch Einfluss Macht auszuüben. Dank ihres diplomatischen Geschicks blieb Ägypten in unruhigen Zeiten unabhängig und stabil. Eine Leistung, die ihr einen Jahrhunderte überdauernden Ruf einbrachte. Vorhang auf für … Kleopatra.

Nachfahrin eines mazedonischen Generals

Kleopatra wurde 69 v. Chr. als zweites von fünf Kindern in eine unruhige königliche Dynastie geboren. Die Ptolemäer stammten von einem mazedonischen General ab, der unter Alexander dem Großen gedient hatte. Obwohl sie fast drei Jahrhunderte lang Ägypten regiert hatten, wurde ihr Königreich längst von der Macht Roms in den Schatten gestellt. Vater Ptolemaios XII. war ein äußerst schwacher Pharao, der sich „neuer Dionysos“ nannte, seine Macht in Ägypten aber nur aufrechterhielt, indem er mächtige Römer bestach und dort deshalb nur als „Flötenspieler“ verlacht war. Als die „Freundschaft“ zwischen Rom und den Pharao die ägyptische Wirtschaft zunehmend belastete, wurde seine Herrschaft von der ägyptischen Elite immer argwöhnischer betrachtet. Er musste fliehen, während zwei andere Frauen namens „Kleopatra Tryphaena“ und Berenice IV. die Macht übernahmen. 55 v.Chr. wurde Ptolemaios XII. mit Unterstützung der Römer wieder auf den ägyptischen Pharaonen-Thron gesetzt und bestimmte seine 17-jährige Tochter Kleopatra als Mitherrscherin.

Studium der Philosophie und Redekunst

Die jungen königlichen Frauen der ptolemäischen Dynastie erhielten zu diesem Zeitpunkt eine weitaus bessere Ausbildung, als ihre römischen Geschlechtsgenossinnen und obwohl die Bibliothek von Alexandria schon längst nicht mehr das geistige Kraftwerk des Mittelmeers war, existierte im angrenzenden Mouseion ein ausgezeichnetes Zentrum zum Lernen. Kleopatra nahm ein Medizinstudium auf und studierte zudem Philosophie und Redekunst. Laut Plutarch muss sie eine begabte Linguistin gewesen sein, denn zu ihrem Griechisch als Muttersprache beherrschte sie auch Latein, Äthiopisch, Aramäisch und Arabisch. Nach dem Tod des Vaters fand sich die schon in jungen Jahren begabte Diplomatin allerdings zunächst in einem Familientwist wieder. In seinem Testament hatte Ptolemaios XII. bestimmt, dass sich Kleopatra die Macht mit ihrem Bruder Ptolemaios XIII. teilen solle. Dessen Berater weigerten sich allerdings, diese Vereinbarung anzuerkennen, was Kleopatra zwang zu fliehen. Es würde Julius Caesar sein, der Kleopatra half, ihren Thron wiederzugewinnen.

Caesar rettet Kleopatra vor ihrem eigenen Bruder

 

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Caesar war 30 Jahre älter als Kleopatra und seine Ankunft in Ägypten eher ein Unfall. Nach einem Bürgerkrieg, den er gegen den römischen General Pompeius geführt und gewonnen hatte, war der geschlagene Pompeius nach Ägypten geflohen, um die Unterstützung von Ptolemaios XIII. zu gewinnen. Der erst 14 Jahre junge Pharao entschied allerdings, dass Pompeius mehr Ärger brachte als er wert war, und ließ ihn hinrichten. Caesar reiste daraufhin nach Ägypten und geriet dort in den Zwist der königlichen Geschwister. Während Ptolemaios XIII. versuchte Caesar zu überzeugen, ihn als alleinigen Herrscher Ägyptens anzuerkennen, und Kleopatra verbot, ihn zu sehen, gelang es ihr, sich in den Palast in Alexandria zu schleichen und Caesar mit Erfolg ihren Fall vorzutragen. Vor einer offiziellen Versammlung verlas dieser kurz darauf das Testament Ptolemaios des XII. und machte deutlich, dass er erwartet, dass Bruder und Schwester Ägypten gemeinsam regieren würden. Caesar hatte Kleopatra gerettet und sie wieder an die Macht gebracht. Was folgte, war eine Liaison aus der ein Sohn mit dem Namen Caesarion hervorgehen sollte. Historiker glauben heute, dass sich Caesar inmitten eines Beinahe-Bürgerkrieges nicht deshalb mit Kleopatra gegen ihren Bruder verbündete, weil sie sexy war, sondern weil er gewusst habe, dass sie die Macht hatte, sich den Thron zu nehmen und vor allem ihn zu halten.

Halbgöttliche und alleinerziehende Mutter

Und das bedeutete für Kleopatra vor allem, die Konkurrenten und Konkurrentinnen aus der eigenen Familie auszuschalten. Nachdem Ptolemaios XIII. bei einem gescheiterten Aufstand ums Leben gekommen war, entledigte sich die junge Pharaonin auch ihres jüngeren Bruder Ptolemaios XIV. und ihrer ebenfalls jüngeren Schwester Arsinoe IV. Mitherrscher wurde nun Caesars Sohn, der seiner Mutter eine neue, für das Volk leicht verständliche Identität, gab: die regierende, beschützende, alleinerziehende Mutter. Bereits am Ende der Regierungszeit ihres Vaters war Kleopatra nach ägyptischer Tradition zu einer Göttin geworden. Aber jetzt sollte sie mit Ägyptens berühmtester alleinerziehender Mutter, Göttin Isis, identifiziert werden.

Nach der Ermordung Caesars – Antonius verfällt den Reizen der gewieften Pharaonin

Mit der Ermordung von Julius Caesar im Jahr 44 v. befand sich allerdings auch Kleopatra in einer unangenehmen Lage. In Rom war Bürgerkrieg zwischen den Unterstützern und Gegnern des toten Kaisers ausgebrochen. Der General der Meuchler Octavian regierte daraufhin die westliche Hälfte des Reiches, während Antonius als Gefolgsmann Caesars den Osten kontrollierte. Und wieder schaffte es Kleopatra, sich einen der mächtigsten Herrscher seiner Zeit gefügig zu machen. Nachdem er Kleopatra als Verbündete nach Kleinasien (der heutigen Türkei) gerufen hatte, war es laut der Geschichtsschreiber um Antonius geschehen: „Von ihrem Auftreten und ihrer Intelligenz war der mächtige General, obwohl bereits Vierzig, so fasziniert, als wäre er ein junger Bursche“ schrieb Appian beispielsweise im 2. Jahrhundert nach Christus. „Das starke Interesse, das Antonius einst an allen Dingen gezeigt hatte, war plötzlich verblasst. Was auch immer Kleopatra diktierte, es geschah ohne Rücksicht auf die Gesetze des Menschen oder der Natur.“

Die letzte Schlacht

Noch bevor eine Seeschlacht das Schicksal von Antonius und Kleopatra besiegelte, schlossen die beiden ein enges Band und bekamen drei gemeinsame Kinder. Das Jahr 31 v.Chr. sollte allerdings für beide das letzte ihres Lebens werden. Obwohl Antonius einen zahlenmäßigen Vorteil an Land hatte, wurde der Krieg zwischen ihm und Octavian in der Nähe von Actium am Ionischen Meer auf See entschieden. Was während der Schlacht passierte, ist bis heute ein Rätsel. Antike Quellen behaupten, Antonius Schiffe seien dem Untergang geweiht gewesen, als Kleopatra aus irgendeinem Grund aus der Schlacht geflohen sei. Bewiesen ist das nicht. Mit Octavians Kontrolle über das Mittelmeer war allerdings der Weg für seine Truppen nach Alexandria frei. Und obwohl es Antonius noch gelang, eine kleine Schlacht an Land zu gewinnen, saßen er und Kleopatra in Ägypten in der Falle.

Vereint im Tod

 

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Über den Tod von Kleopatra und Antonius wissen wir heute nur über einige Geschichtsschreiber, die allerdings keine Zeitgenossen waren und das Drama ihres Todes wohl im Nachhinein übermäßig ausgeschmückt haben. Nach Ansicht von Historikern könnte sich aber folgendes tatsächlich zugetragen haben: Nachdem Antonius auf Befehl von Kleopatra fälschlicherweise über deren Selbstmord unterrichtet worden war, stürzte er sich in sein Schwert, starb aber nicht sofort und befahl, zu ihr gebracht zu werden, als er erfuhr, dass sie noch lebe. Über Seile in das bereits verschlossene Mausoleum gehievt, soll er in ihren Armen gestorben sein. Octavian versuchte noch mit Kleopatra zu verhandeln, als diese jedoch erfuhr, dass sie nach Rom gebracht und als eine Art Kriegstrophäe vorgeführt werden sollte, entschied auch sie sich für den Freitod. Obwohl später gern behautet wurde, das Kleopatra sich selbst von zwei Kobras in die Brüste hat beißen lassen, ist es wahrscheinlicher, dass sie dank ihres Leibarztes mittels eines Gifttrankes starb. Vorher hatte sie mit Octavian wohl noch über die Zukunft ihrer Kinder und der Unabhängigkeit von Ägypten verhandelt. Als jedoch klar wurde, dass keine Chance für die Regierung ihrer Kinder bestand, hatte sie entschieden, nicht mehr weiterleben zu wollen. Kleopatras Kinder wurden nach Rom gebracht. Caligula exekutierte später Ptolemaios Caesarion, und Kleopatras andere Söhne verschwanden einfach aus der Geschichte. Es wird angenommen, dass sie früh gestorben sind. Einzig Kleopatras Tochter, Kleopatra Selene heiratete Juba, den König von Numidien und Mauretanien und begründete in Westafrika ein neues Herrschergeschlecht.

Die letzte Pharaonin wird zur Legende

Mit dem Tod von Kleopatra war auch die 300-jährige Herrschaft der Ptolomäer zu Ende. Octavian machte Ägypten zur römischen Provinz und ernannte Gaius Gallus zum Statthalter. Während die meisten römischen Dichter ihrer Zeit wie Vergil, Horaz oder Lucan kein gutes Haar an Kleopatra ließen, wurde sie in Ägypten noch einige Zeit kultisch verehrt. Auch in arabischen Werken des Mittelalters wird Kleopatra eher als Gelehrte, Ärztin und Baumeisterin gerühmt. Cassius Dio, eine der antiken Quellen, die ihre Geschichte erzählt, fasst ihre Geschichte wie folgt zusammen: „Sie hat die beiden größten Römer ihrer Zeit für sich eingenommen und sich wegen des dritten das Leben genommen.“ In Europa begann man sich erst mit dem Aufkommen der Renaissance und der Wiederentdeckung der Antike wieder mit der legendären Pharaonin zu beschäftigen. In Werken wie „Antonius und Kleopatra“ von Shakespeare oder „Caesar und Kleopatra“ von George Bernhard Shaw wurde dabei vor allem der Widerspruch zwischen Femme Fatale und eher angepasster Ehefrau in den Vordergrund gestellt. Heute weisen Forscher daraufhin, dass die politischen Entscheidungen der letzten Pharaonin zuallererst das Ergebnis rationaler Überlegungen und weniger unbeherrschter Gefühle waren.

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