Starke Frauen: Josephine Baker – Erst Bananenrock, dann Aktivistin

Josephine Baker
©pixabay/pjrartist
Der ultimative Weiberheld Ernest Hemingway nannte sie in den 1930er Jahren "die sensationellste Frau, die ich je gesehen habe". Josephine Baker war zu diesem Zeitpunkt der gefeierte Tanz-Star der "La Revue Nègre", wo sie alle Klischees bedienend fast nackt im Bananenrock auftrat. Nach dem Zweiten Weltkrieg kehrte die Afroamerikanerin in ihre vom Rassenhass gespaltene Heimat USA zurück und mutierte dort umgehend vom Sexsymbol zur Aktivistin.

Sie weigerte sich trotz Rekordgagen vor einem rein weißen Publikum aufzutreten, trat dem Klu Klux Klan entgegen und stand an der Seite von Martin Luther King während dessem legendären Marsch nach Washington, bei dem sie als einzige offizielle Sprecherin auftrat.

„Ich war nie wirklich nackt. Ich hatte einfach keine Kleidung an.“
Josephine Baker

Josephine Bakers Bewegungen waren einfach unverkennbar: Ihre Hüften kreisten, während sich die Beine in sich zu verknoten schienen und die Arme und Hände wie propellernde Windmühlenflügel über die Tanzfläche trieben. Sie war in den wilden, vergnügungssüchtigen 1920er Jahren in Europa mit ihrer Nacktheit, ihrer bisexuellen Aura und der exotischen Wildheit zum ersten schwarzen Superstar aufgestiegen. Als aufstrebende Tänzerin der aus Paris importierten „Revue Nègre“ war sie in der Silvesternacht 1925/26 sogar in Berlin zu sehen und wurde dort hymnisch gefeiert.

Und das alles noch bevor sie sich im Folgejahr den berühmten Bananenrock umband, um damit eines der ikonischen Bilder des 20.Jahrhunderts zu kreieren. Es gehörte selbst in den enthemmten 1920er Jahren einiges an Mut und Selbstverständlichkeit dazu, um sich als schwarze Frau in einem solchen Aufzug dem Publikum zu präsentieren. Doch Josephine Baker, zu diesem Zeitpunkt gerade mal 20 Jahre alt, hatte eine ausreichende Menge davon. „Sie ging einfach bei nichts davon aus, dass es schiefgehen könnte“, schrieb Bennetta Jules-Rosette, die Direktorin des Forschungszentrums für Afrikanistik und Afroamerikanistik an der University of California in San Diego, in ihrem Buch über Baker. „Nur deshalb konnte sie Dinge tun, die die meisten anderen ihrer Zeitgenossen noch nicht mal im Traum in Betracht ziehen wollten.“

Die „Bronzene Venus“ wird in Europa vergöttert

Freda Josephine MacDonald wurde am 3. Juni 1906 in St. Louis, Missouri, geboren und nichts sprach dafür, dass sie es zu einem internationalen Megastar bringen würde. Ihre Mutter: eine Wäscherin. Der Vater: ein Jude, der sich allerdings bald aus dem Staub machte. Schon mit acht Jahren musste die junge Josephine als Dienstmädchen zum Lebensunterhalt beitragen und wurde mit 13 zwangsverheiratet. Die frühen Jahre waren geprägt von Missbrauch und Armut und die junge Freda fischte sich nicht nur einmal ihr Essen aus stinkenden Mülleimern. Doch es waren ebenso diese Straßen der Slums von St. Louis, die Bakers Talente zum Leben erweckten und sie mitten hinein ins Herz der Harlem Renaissance in New York City transportierten. Doch der Big Apple war nicht ihr endgültiges Ziel. Im Alter von 19 Jahren wurde Baker bei einer Tanzeinlage von einem Talentscout entdeckt, der nach Entertainern suchte, die in einer bahnbrechenden, komplett schwarzen Revue in Paris auftreten konnten. Mit einem Versprechen von für damalige Verhältnisse unglaublichen 1.000 Dollar im Monat ging Baker nach Frankreich und schaute nie wieder zurück.

Bakers Präsenz in der Pariser Unterhaltungsszene war sofort anders als alles, was jemals zuvor gesehen worden war. Am 2. Oktober 1925 debütierte sie in der „Revue Nègre“ am Théâtre des Champs-Élysées. Baker trug kaum mehr als Perlen und Federn und führte ihre Danse Sauvage, die Wilden Tänze, vor einem begeisterten Publikum auf. Der pulsierende, kreisende Akt mit nackten Brüsten war Nacht für Nacht ausverkauft und markierte den Beginn der französischen Liebesbeziehung mit der „Bronzenen Venus“. Wäre Josephine Baker als schwarze Frau in den USA geblieben, hätte sie kaum das erreichen könne, was ihr im Frankreich der 1920er und 1930er Jahre möglich war. Und weil ihr das, so schrieb sie es später in ihren Memoiren, auch bewusst war, schöpfte sie das Leben mit einer ganz großen Kelle. Sie ließ keine Party, keinen Empfang aus, lernte nicht nur Französisch, sondern auch Italienisch und Russisch.

Und sie scheute vor keiner Kontroverse und erst recht nicht vor bizarren Auftritten zurück. Wie als wollte sie ihr Image auf die Spitze treiben, präsentierte sie sich nun häufiger in Begleitung eines Geparden. In Frankreich und auch im Deutschland der Weimarer Republik wurde Josephine Baker vergöttert. Obwohl kaum schauspielerisch ausgebildet spielte sie in vier französischen Filmen („Sirenen der Tropen“ (1927), „ZouZou“ (1934), „Prinzessin Tam Tam“ (1935) und „Falscher Alarm“ (1940) mit und durchbrach als farbige Frau damit noch mehr Barrieren. In Hollywood wurde zur gleichen Zeit „Vom Winde verweht“ produziert und dort gab es für die schwarze Schauspielerin Hattie McDaniel nicht viel mehr als die klischeehafte Rolle des tumben Dienstmädchens.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von SensCritique (@senscritique) am

Französische Staatsbürgerschaft und Unteroffizierin in der Armee

Erst mit dem Einmarsch der Wehrmacht in Paris gab sie ihre Schauspielarbeit sofort auf und machte etwas, wovor die meisten It-Girls heute wohl zurückschrecken würden: Sie trat ins Militär ein. So diente Josephine Baker, der Revuestar während des Zweiten Weltkriegs als Unteroffizierin im Frauenhilfswerk der französischen Luftwaffe. Sie machte in dieser Zeit ihren Pilotenschein und als ob das nicht schon genug wäre, wurde sie auch für den Widerstand, die Resistance, aktiv. Sie schmuggelte etwa auf ihren Noten mit unsichtbarer Tinte übermittelte Geheimbotschaften zwischen den Fronten hin und her und ging dabei mal wieder voll auf Risiko.

Bereits 1937 hatte Josephine Baker die französische Staatsbürgerschaft angenommen, kehrte aber Amerika nie wirklich den Rücken. So begann sie vor allem nach dem Krieg in regelmäßigen Abständen in die USA zu reisen, um dort mitten in der paranoiden McCarthy-Ära gegen die Rassentrennung zu kämpfen. So wurden ihr in fast 40 Hotels Reservierungen verweigert. Trotzdem nahm sie ihren Kampf mit in die Kabarettclubs und weigerte sich, vor einem zwischen schwarz und weiß getrennten Publikum aufzutreten. Dabei verzichtete sie unter anderem auf eine Rekordgage von 10.000 Dollar, die ihr ein Club in Miami geboten hatte. Nicht einmal drohende Anrufe vom Klu Klux Klan machten ihr Angst. Sowohl im tief gespaltenen Süden als auch in Las Vegas gehörte Baker zu den Ersten, die die Trennlinien zwischen Schwarz und Weiß einrissen. Noch vor Frank Sinatra und Sammy Davis Jr. war sie damit eigentlich die erste Künstlerin, die sich erfolgreich gegen das Diktat der Clubs in Las Vegas zur Wehr setzte.

Verlust der staatsbürgerlichen Rechte in den USA

Bakers Berühmtheit bedeutete allerdings nicht, dass sie gegen den überall anwesenden Rassismus immun war. Während ihrer US-Tour 1951 wurde ihr der Eintritt in eine Reihe von Restaurants verweigert. In einem gut dokumentierten Fall im Stork Club in New York City erhob Baker Anklage wegen Rassismus gegen den Eigentümer, weil er sie nicht bedient hatte. Infolgedessen landete sie auf der FBI-Beobachtungsliste und verlor über ein Jahrzehnt lang ihre US-Staatsbürgerrechte. Mit Hilfe des damaligen Generalstaatsanwalts und Bruder des US-Präsidenten Robert F. Kennedy kehrte Baker 1963 schließlich in die USA zurück, um bei Martin Luther Kings Marsch in Washington zu sprechen. Vorbei waren die extravaganten Federn, das kühne Make-Up und die gewagten Bühnenoutfits. Stattdessen betrat Baker die Bühne in ihrer französischen Luftwaffenuniform, dicker Brille und Lockenfrisur.

„Wie ihr wisst, bin ich immer den steinigen Weg gegangen“, sagte Baker der Menge. „Ich habe es nie auf die einfache Tour gemacht, nur als ich älter wurde, habe ich versucht, ein paar Steine wegzuräumen, um das Laufen nicht so beschwerlich zu machen. Aber es sollte nicht nur für mich, sondern auch für euch einfacher werden. Ich möchte, dass ihr alle die Chance habt, das zu erleben, was ich erlebt habe.“ Und Josephine Baker meinte das wirklich wörtlich. In Frankreich kaufte sie sich eine Villa und adoptierte Jahrzehnte vor Angelina Jolie zwölf Kinder, die als großer „Regenbogenstamm“ darin wohnen sollten. Unter ihren Adoptivkindern waren Waisen, Obdachlose und verwahrloste Straßenkinder aus der ganzen Welt, die Baker zum Teil selbst auf ihren zahlreichen Tourneen aufgelesen hatte.

Der Einfluss der Stilikone reicht bis in die heutige Zeit

Josephine Baker ist auch für nachfolgende Generationen junger Frauen eine Ikone geblieben – und das bei weitem nicht nur aufgrund ihres politischen Engagements. Die Jamaikanerin Grace Jones nahm in ihren Auftritten und ihrem Look klar Bezüge zum großen Vorbild und auch die Sängerin Rihanna erinnert in Vielem an den ersten weiblichen Afro-Star der Geschichte. Ob Eton-Frisur und Glockenhut oder Federboas und Hornbrille – fast 50 Jahre nach dem Tod von Josephine Baker (1975 in Paris) lebt die Marke Baker noch. Selbst der Bananenrock hat in der aktuellen Popszene Platz: Designerinnen wie Miuccia Prada ließen sich 2011 von dem mit Früchten besetzten Rock inspirieren und brachten eine Neuinterpretation des ikonischen Bühnenkostüms auf den Markt.

 

Sieh dir diesen Beitrag auf Instagram an

 

Ein Beitrag geteilt von Camilla Atterby (@camillaatterby) am

Was macht Josephine Baker zu einer Ikone?

Josephine Baker hat viele Leben gelebt und dabei fast in jedem die perfekte Kombination aus Charisma, Entschlossenheit, Leistungsbereitschaft und Menschlichkeit gezeigt. Sie war in fast allem, was sie tat, eine Visionärin, eine Vorreiterin, die sich auf unbetretenes Terrain wagte. Von ihren frühen Tagen bis zu ihrem Tod hat sie anderen Frauen und dabei natürlich vor allem den Diskriminierten einen Weg bereitet, dem alle folgen können.

Weitere Beiträge aus unserer Reihe „Starke Frauen