Bambus: Nachhaltigkeits-Champion oder Umweltsünder?

Bambushain
© istock/show999
Schon seit einigen Jahren wird Bambus als regelrechtes Naturwunder gepriesen und immer dann ins Spiel gebracht, wenn es darum geht, umweltschädliche Textilien, Baustoffe oder auch Lebensmittel durch etwas deutlich Nachhaltigeres zu ersetzen. Bambus gilt als einer der ständig nachwachsenden Rohstoffe, denen regelrechte Superkräfte bescheinigt werden. Doch Bambus ist nicht nur der neue Öko-Champ wenn es um Textilien geht, sondern hat auch ansonsten einige Vorteile zu bieten.

Wir von CARLMARIE wollen deshalb hier die interessantesten Fakten über Bambus vorstellen und darüber hinaus beschreiben, warum die Faser gerade in der Bekleidungsindustrie einen Boom erlebt. Abschließend wollen wir natürlich der Frage nachgehen, ob sich hinter dem Bambus-Hype nicht in Wirklichkeit die nächste Umwelt-Sünde verbirgt.

Der englische Viertligist Forest Green Rovers kommt aus der westenglischen Stadt Nailsworth, die zwar nur knapp 8.000 Einwohner zählt, aber als ein nicht ganz unwichtiger Textilstandort an der Grenze zu Wales gilt. Umso interessanter erscheint da der Fakt, dass die Forrest Green Rovers nicht nur das erste „rein vegane“ Fußballstadion besitzen, sondern im vergangenen Jahr für ihr Bestreben der „grünste“ Fußballverein der Welt zu sein, auch mit dem „Momentum for Change“- Award ausgezeichnet wurden. Im November dieses Jahr machte der Verein dann erneut Schlagzeilen, als er mitteilte, dass ab sofort alle Spieler auf Schienbeinschoner aus Bambus umsteigen werden. Der Rovers-Vorsitzende Dale Vince erklärte dazu: „Bambus ist ein Naturwunder, ein nachhaltiges Material, das unglaublich stark und ultraleicht ist, was es perfekt für Schienbeinschoner und besser nicht nur für unseren Planeten, sondern auch für unsere Spieler macht.“ Die Reduzierung des Kunststoffverbrauchs sei ein wichtiger Teil des Kampfes gegen die Klimakrise. Dem Sport komme dabei eine entscheidende Rolle zu, betonte Vince.

Und Bambus offenbar auch, glaubt man all den Nachrichten der jüngeren Vergangenheit. Bambus ist robust, umweltfreundlich und nachhaltig, hat aber noch viel mehr zu bieten als nur ökologische Vorteile. Bevor wir uns also Anbau, Verarbeitungsweisen und vor allem den Pros und Kontras der Verarbeitung von Bambus in der Textilindustrie widmen, wollen wir uns ein paar überaus interessante Fakten zu diesem Gewächs ansehen.

Inhaltsverzeichnis

Woher kommt das Wort „Bambus“?

Der Ursprung des Wortes Bambus stammt wohl vom malaiischen Wort „Bambu“ ab und soll in seiner Aussprache dem Geräusch ähneln, welches Bambus macht, wenn er im Feuer regelrecht explodiert. Wenn Bambus erhitzt wird, dehnt sich die Luft in den abgeschlossenen Hohlkammern aus und verursacht einen explosiven Knall. Im späten 16. Jahrhundert (1590-1600) nannten die vor allem in Indonesien aktiven Holländer das Gewächs dann „Bamboes“, woraufhin es seinen neo-lateinischen Namen „Bambusa“ erhielt.

Ist Bambus ein Baum oder ein Gras?

Bambus gehört zur Unterfamilie der Bambusoideae, der mehrjährigen immergrünen Grasgewächse Poaceae (Gramineae). Der deutsche Botaniker Charles Kunth war der erste, der Bambus 1815 in einer Veröffentlichung klassifizierte. Obwohl Bambus ein Gras ist, sehen viele der größeren holzigen Bambusarten sehr baumartig aus und werden deshalb oft auch als „Bambus-Bäume“ bezeichnet. Es gibt jedoch einige wesentliche Unterschiede zwischen Gräsern und Bäumen. Der wohl wichtigste ist, dass die ständig wachsenden Schichten eines Baumstammes (die Baumringe) den Durchmesser eines Baumes jedes Jahr erhöhen. Bambus hingegen wächst wie alle anderen „Gräser“ auch weder im Durchmesser noch in der Höhe. Ein einziger Bambushalm erreicht in nur einer Vegetationsperiode sein volles Ausmaß. Ein Bambushalm kann egal wie groß natürlich lange Jahre stehen und erhöht auch allmählich die Anzahl der Seitenzweige. Aber höher und breiter wird der Hauptstamm nach einem Jahr des Wachstums nicht mehr. Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass Bambus keine Rinde hat wie Bäume, sondern sich in seinen frühen Entwicklungsstadien schützende Blätter um den Halm (Halmscheiden) legen.

Nur in Europa gibt es keinen Bambus

Bambus kommt auf fünf Kontinenten vor: Afrika, Asien, Südamerika, Nordamerika und Australien. Damit gibt es nur in der Antarktis und Europa keinen Bambus. Ein interessanter Zufall ist, dass dasselbe auch für die Vorkommen von Diamanten gilt. Bambus wächst vor allem in den tropischen und subtropischen Regionen Asiens, Afrikas und Lateinamerikas und erstreckt sich bis in den Norden der Vereinigten Staaten, nach Zentralchina und bis in den Süden von Patagonien. Auch in Nordaustralien gibt es ihn. Normalerweise ist Bambus in den Wäldern eine sogenannte Sekundärvegetation, er kann in eher seltenen Fällen allerdings auch eigene Wälder bilden. Solche finden sich in wenigen Teilen Japans, im Nordosten Indiens aber auch an den Berghängen Ostafrikas. Bambus ist eine überaus robuste Pflanze, die auch extremen Witterungsbedingungen standhält. Einige Arten können vom Meeresspiegel bis zu einer Höhe von 4.000 Metern in den Anden und im Himalaya wachsen und dabei Temperaturen von weit unter 20 Grad Minus trotzen.

Wie viele Bambusarten gibt es?

Die wunderschönen, farbenfrohen Bambus-Bilder auf Pinterest sind nicht immer nur gephotoshopped. Denn Bambus ist bei weitem nicht immer grün, sondern es gibt ihn auch in Blau, Schwarz, Rot oder Gelb. Insgesamt gibt es sowohl holzige als auch krautige Bambusse und dabei insgesamt über 1.500 verschiedene Arten in 111 Gattungen. Kommerziell verwendet werden allerdings nur etwa 100 Arten und dabei auch nur 20, die in Plantagen angebaut werden. Davon abgesehen gibt es auch einige Zierarten, die in Baumschulen für landschaftsarchitektonische Zwecke und für Raumdekorationen gezüchtet werden.

Wächst Bambus wirklich bis zu einem Meter pro Tag?

Richtig ist, dass laut Guinnessbuch der Rekorde die am schnellsten wachsende Pflanze der Erde eine Bambusart ist, die täglich bis zu 91 Zentimeter wächst. Allerdings wachsen längst nicht alle Bambusse so schnell. Die durchschnittliche Wachstumsrate aller Bambusarten liegt während der intensivsten Schübe bei etwa 60 Zentimetern pro Tag. Die höchsten Wachstumsraten haben der chinesische Moso-Bambus (Phyllostachys edulis) und der Madake-Bambus (Phyllostachys bambusoides). Ersterer kann in nur drei Wochen drei Meter hoch werden. Krautiger Bambus ist in der Regel klein und grasähnlich und nur wenige Zentimeter groß, während holziger Bambus (je nach Art) bis zu 30 Meter hoch und 20 Zentimeter im Durchmesser werden kann. Die Bambusart Dendrocalamus sinicus gilt mit einer Höhe von 40 Metern und einem Durchmesser von 30 Zentimetern als der größte Bambus der Welt. Das Wachstumstempo des Bambus wird meist als einer der größten Nachhaltigkeitsargumente für Bambus gesehen, da er deutlich schneller nachwächst als Hartholzbäume.

 

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Bambus überlebte selbst Hiroshima

Ein außergewöhnliches Beispiel für die Widerstandsfähigkeit von Bambus ist die Tatsache, dass er als einzige Pflanze die radioaktive Strahlung und die Verbrennungshitze der Atombombe von Hiroshima im Jahr 1945 unbeschadet überstehen konnte. Die Bombe vernichtete in der Stadt fast alle Pflanzen und Bäume mit Ausnahme eines Bambushains. Der Hain wurde inzwischen entfernt, aber einzelne Halme aus ihm werden nach wie vor in einem Museum in Hiroshima aufbewahrt.

Leitet Bambus Strom?

Im National Museum of American History befindet sich tatsächlich eine Glühbirne mit Bambusfaden. Der historische Hintergrund: Weniger als ein Jahr nach der Entwicklung der ersten Glühbirne (1880) entwarf Erfinder Thomas Edison eine neue Version, die alle wesentlichen Merkmale einer modernen Glühbirne aufwies. Der kritischste Faktor war, das richtige Material für den Glühfaden zu finden. Edison testete mehr als 1.600 Materialien, darunter Kokosfasern, Angelschnüre und sogar Barthaare. Letztlich versuchten er und sein Team es mit Bambusfasern. Und stellten fest, dass kohlensäurehaltiger Bambus die Fähigkeit besitzt, elektrischen Strom zu leiten, und dass er dabei mehr als 1.200 Arbeitsstunden übersteht, mehr als jedes andere Material zu dieser Zeit. Erst kürzlich bauten Forscher auf diese Erkenntnis auf, als sie feststellten, dass Bambuskohle eine natürliche „Nanoröhre“ ist, die Elektrizität als sehr dünnen Film leitet, der auf der Oberfläche eines Glas- oder Siliziumsubstrats verteilt ist.

Was ist eigentlich Glücks-Bambus?

In jedem Fall kein wirklicher Bambus. Die immens beliebte Zierpflanze, von der angenommen wird, dass sie positive Energie und Wohlstand für diejenigen bringt, die sie in Haus oder Büro stellen, wird in China und Taiwan in großem Umfang kultiviert und weltweit exportiert. Im Gegensatz zu echtem Bambus wächst Glücksbambus mit etwa 10 Zentimeter pro Jahr sehr langsam. Obwohl das Wort „Bambus“ im Namen dieser Pflanze vorkommt, ist sie in Wirklichkeit eine Art Drachenbaum mit der lateinischen Bezeichnung Dracaena braunii (oder auch bekannt als Dracaena sanderiana).

Bambus ist essbar – und ein Grundmittel der östlichen Medizin

Es ist bekannt, dass vor allem Panda-Bären nichts anderes fressen als Bambus. Doch auch Menschen fahren seit jeher voll auf Bambus ab. Rezepte für die Zubereitung von Bambussprossen gibt es reichlich. Denn Bambussprossen sind übliche Zutaten in Pfannengerichten, Suppen, Frühlingsrollen, Knödeln und vielen anderen herzhaften Gerichten aus Fernost. Dabei soll Bambus vor allem die Verdauung unterstützen, weshalb er in vielen Vorspeisen enthalten ist. Die medizinischen Vorteile von Bambus sind in China und Japan bereits seit vielen Jahrhunderten bekannt. Bambusharz, Blätter und Späne werden vor allem bei Erkrankungen der Atemwege und des Verdauungssystems, bei Fieber und bei Entzündungen eingesetzt. Bambus-Extrakte sollen auch gegen Stress, Angst und Depressionen helfen.

Bambus in der Architektur – Liebling des Feng Shui

 

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Bambus gilt mittlerweile als extrem robustes Material. Seine Fasern sind mit denen von Kohlenstoff vergleichbar und im gehärteten Zustand werden aus Bambusfasern Schutzhelme, Skateboards oder eben auch Schienbeinschützer für Fußballspieler hergestellt. In Asien werden dicke Bambusstiele übrigens nach wie vor im Gerüstbau eingesetzt und gelten dort nicht nur als leicht, sondern auch immens zuverlässig. Deshalb findet es auch in der Architektur mittlerweile weitreichend Einsatz als Grundmaterial für Stützkonstruktionen. Bambus ist übrigens auch Liebling der Feng Shui Philosophie, die sich mit dem Energiefluss in der Innenarchitektur beschäftigt. Bambus soll gleich fünf der wichtigsten Feng Shui-Eigenschaften besitzen und ist somit Träger positiver Energie.

Bambus im Hausgarten

Bambus wächst besser im Freien, aber einige ausgewählte Arten kommen auch im Garten oder sogar in Innenräumen ganz gut zurecht. Sie eignen sich zwar nicht so gut wie Kakteen, doch wer sich mit diesen Gewächsen ein bisschen näher beschäftigt, wird seine Freude am Bambus haben können. Zunächst einmal verbessert Bambus die Privatsphäre, da es dick genug ist, um einen natürlichen Zaun zu bilden. Außerdem verbessert Bambus die Luft, da er mehr Kohlendioxid absorbiert als ein Baum.

Bambuspflanzen verhindern Erosion an Hängen

Bambuspflanzen lieben es, sich zu sammeln und dichte Haine zu bilden. Diese Gewächskonglomerate bilden zusammen mit den umfangreichen Wurzelsystemen der Pflanze eine wirksame Barriere gegen Erosion. Wer beispielsweise auf einem Hügel wohnt oder in einem anderen Gebiet, in dem Schlamm- oder Erdrutsche ein Problem darstellen, sollte es mal mit dem Anpflanzen von Bambus probieren. Bambus schützt aber nicht nur vor Erosion, sondern füllt auch überlastete Böden mit Wasser und Mineralien auf, da er selber davon relativ wenig aufnimmt. Seine Wurzeln binden den Boden und seine abgefallenen Blätter fügen Nährstoffe hinzu, wenn sie verfallen. Bäume benötigen täglich mehrere Liter Wasser. Bambus weit weniger.

Bambus setzt mehr Sauerstoff frei als Harthölzer

Hartholzbäume nehmen Licht und Kohlendioxid auf und wandeln diese Energie in chemische Energie um, um Zucker zu produzieren und Sauerstoff durch Photosynthese freizusetzen. Dieser Prozess fördert das Wachstum einer Pflanze, was erklärt, warum Bambus mehr Sauerstoff abgibt als Bäume. Aus diesem Grund empfehlen zahlreiche Klimaforscher das Aufforsten von Bambuswäldern, um umweltschädliche Kohlenstoffemissionen auszugleichen.

Bambus benötigt keine Chemikalien, um zu gedeihen

Bioprodukte sind auch deshalb so beliebt, weil Düngemittel und dabei vor allem Pestizide in der herkömmlichen Landwirtschaft eingesetzt werden und diese Stoffe nachweislich schädlich sind. Bambus ist schon in seiner natürlichen Form antibakteriell und benötigt deshalb keinerlei Pflanzenschutzmittel, um ordentlich zu gedeihen. Von den Blättern über die Stängel bis hin zu Trieben kann vom Bambus übrigens alles rückstandslos verarbeitet werden. Sogar die Wurzeln können zu Heilmitteln sowie Medikamenten und Tees gemahlen werden.

Bambus hilft, gefährdete Pandas zu retten

Bambus wird gern auch als Panda-Nahrung bezeichnet und tatsächlich ernährt sich dieses Riesentier vegetarisch und dabei fast ausschließlich von Bambus. Daher sind die Bemühungen zur Wiederaufforstung von Bambus im natürlichen Lebensraum des Riesenpandas (China) von entscheidender Bedeutung, um das Überleben dieser einzigartigen Art zu sichern.

 

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Bambus ist eines der stärksten Materialien der Welt

Manchmal wird Bambus als „stark wie Stahl“ beschrieben. Und tatsächlich ist das kaum eine Übertreibung. Die Stärke von Bambus beruht zum Teil auf seiner einzigartigen Fähigkeit, sich stark biegen zu können, ohne zu brechen. Er bietet Flexibilität, ohne auf Leichtigkeit oder Ausdauer zu verzichten.

Nachdem wir uns mit all den erstaunlichen Eigenschaften des Bambus beschäftig haben, wollen wir auf der nächsten Seite einmal die Vor- und Nachteile des Wundermaterials beleuchten. Denn die schnellwachsende Pflanze hat nicht nur Fans, sondern auch harte Kritiker.