Lingerie - attraktiv, edel & vielseitig
Es gibt aktuell keine zweite wie Marlies Dekkers. Nicht in der Welt der Dessous. Die rothaarige Niederländerin ist die große Lingerie-Designerin der Gegenwart. Ihre Dessous werden getragen von Popstars wie Rihanna, Lady Gaga, Britney Spears. Diese Dessous sind zwar für die Augen anderer gemacht, aber nicht in erster Linie. In erster Linie, so Dekkers, "möchte ich Frauen dazu inspirieren, sich schön zu finden und ihr Spiegelbild zu mögen. Und das mache ich mit meinen Dessous. Ich hoffe, dass ich Frauen dazu bringe, vielleicht den einen Knopf an ihren Oberteilen noch zu öffnen."
Der schmale Grat in Amsterdam
Wie ist das eigentlich? Dessous tragen wir Frauen drunter. Und halten sie nicht selten versteckt. Ein Unding für Marlies Dekkers, seit die heute 51-Jährige an der Akademie der Bildenden Künste im niederländischen Breda studierte und 1991 mit einer Arbeit abschloss, die mittlerweile im Rijksmuseum in Amsterdam steht. Es ist Dekkers berühmtes "
Blotebillenjurk", hierzulande bekannt als das "
Nackter-Po-Kleid".
Mit diesem Kleid schritt die Absolventin damals durch das Amsterdamer Rotlichtviertel, um herauszufinden, wie es wirkt. Das Kleid war vorn bodenlang und hinten praktisch nicht existent. Dekkers lief damals am Leidseplein auf einem schmalen Grat. Sie bewegte sich zwischen Voyerismus und Prostitution. Um was? Zu sehen, wie Männer drauf reagieren? Nein, erklärte Dekkers später. Sie wollte herausfinden, ab wann der Blick der Männer die Gier verliert.
"Je selbstbewusster man auftritt, desto weniger wird man zum Objekt." Es funktionierte.
"Ich bekam kein Geld angeboten, noch zischte mir irgendjemand etwas zu. Die Männer schrumpften regelrecht zusammen. Als ich zu meinem Auto zurücklief, bekam ich Applaus."
Innerwear wird zu Outerwear
Dekkers ist nicht nur Fashion-Designerin. Sie ist auch Künstlerin. Mit einem eigenen Blick auf die Welt. Und mit einem Ziel. Dieses Ziel besteht nicht darin, Männer zu Zwergen zu machen. Sondern Frauen groß. Stolz auf das, was sie haben und was sie sind. Alle ihre Entwürfe kreisen deshalb um diese zwei Ziele. Und weil Dessous zwar drunter getragen werden, aber nicht nur drunter gehören, sind sie alle so gestaltet, dass Drunter wie Drüber bedenkenlos zusammen gehen können. "Innerwear" wird bei Dekkers zu "Outerwear". Das Versteckte sichtbar. "Es gibt nichts Schöneres als einen nackten Frauenkörper", hat die Niederländerin mal gesagt. "Wenn das Schönste aber angezogen werden muss, dann besteht die Herausforderung darin, diese Schönheit zur Geltung kommen zu lassen. Und sie zu steigern."
Ein Klassiker dieser Entwürfe ist der BH mit den drei Bändchen. Genauso berühmt sind die Bänder über ihren Cups, die auf dem Rücken oder über dem Poansatz beim Body. Marlies Dekkers will zeigen, was Frau hat und ist. Und betonen, was sie ausmacht. Das sind vor allem der Nacken, das Dekollete und ihre Lieblingsregion, der Rückenansatz über dem Hintern. Die meisten Stücke sind deshalb so kreiert, dass sie durch Aussparungen, Bänder und geometrische Verstrebungen den Blick möglichst auf eine Stelle des Körpers lenken. Auf Spitzen und Rüschen verzichtet sie dabei, ist zu romantisch und Männerkram. Die Trägerin ihrer Dessous hingegen soll sich stark fühlen und selbstbewusst, voller Wert und Einzigartigkeit.
Dekkers Aufstieg zur Ikone der Dessous-Branche
So wie ihre Musen es gewesen sind. Dekkers Musen, das sind die großen Frauen der Geschichte. Die französische Nationalheilige
Johanna von Orleans (Jeanne d'Arc), die englische Königin Elisabeth I., Japans Geishas. Diese Frauen verkörpern für die Modeschöpferin, was sie für das zentrale Motto ihrer Arbeit hält. Dare to dream. Dare to grow. Dare to be. Zu deutsch:
Trau dich, zu träumen, zu wachsen und du selbst zu sein.
Sie selbst hat das ein Vierteljahrhundert vorgelebt. Dekkers entwarf nach ihrem Studium mit Hilfe eines Stipendiums ihre erste Kollektion. Sie nannte sie
Undressed. Mit ihr wurde sie berühmt. In den folgenden Jahren stieg sie zur Ikone der Dessous-Branche auf. Sie wurde mit Preisen überhäuft, Museen erwarben ihre Entwürfe, sie expandierte und bezifferte ihren Erfolg mit 1000 Geschäften weltweit, die angeblich ihre Dessous verkauften.
Vor wenigen Jahren aber wuchs ihr das Geschäft über dem Kopf zusammen. Dekkers verlor den Überblick über ihr Unternehmen, verkalkulierte sich und ging pleite. Doch sie hat den Konkurs unbeschadet überstanden. Mit neuen Investoren und neuer Strategie ist sie 2013 wieder auf die Beine gekommen und brilliert aktuell mit vier verschiedenen Kollektionen: Signature, Style, Couture und Swimwear.
Dekkers Werke als Künstlerin
Die Kollektion Signature beinhaltet die Must-haves, die nach Dekkers Vorstellung jede Frau in ihrem Wäscheschrank haben sollte. Style versammelt die Trend-Dessous und saisonale Farben. Couture ist das Herzstück der Marke. Alle Entwürfe sind handgearbeitet, limitiert und speziell im Entwurf. Für Dekkers sind es die kleinen Werke als Künstlerin.
Und schließlich ihre Bademode. Die hat sie unlängst so beschrieben: "Wann immer wir Wasser sehen, wollen wir uns ausziehen. Und wir wollen nicht selten topless sein. Meine Aufgabe ist es, auf eine clevere Weise uns Frauen anzuziehen und auszuziehen. Gleichzeitig. Das heißt, dass wir Frauen uns vollständig bekleidet fühlen, obwohl wir halb nackt sind."
Marlies Dekkers - mehr als nur ein Label
Für den Direktor des Rijksmuseum, Wim Pijbs, ist genau das der Grund gewesen, das Bloßepobackenkleid 2008 zu erwerben. Als übrigens erstes Stück nach seiner Ernennung zum Chef des Hauses. Weil da eine Designerin sich nämlich nicht nur den Kopf darüber zerbricht, wie etwas aussehen könnte. Sondern, warum es so oder so aussehen soll. Und es ist auch der Grund gewesen, warum er Marlies Dekkers in diesem Jahr wieder kontaktiert hat. Weil ihre Dessous eben nicht nur Dessous sind, sondern Statements, Haltungen, Symbole. Für Pijbs sind sie damit "Teile der niederländischen Kultur". Er hat sie zur Kuratorin einer später applaudierten Mode-Ausstellung gemacht. Marlies Dekkers ist eben nicht nur ein Label.